: Planet-Management : admin December 06, 2009, 04:49:48 PM Planet-Management
Der Klimawandel wird ganz allmählich zum Sicherheitsproblem umgedeutet. Dass das Problem der Nachhaltigkeit auch totalitär gelöst werden kann, hat Carl Amery 1998 in seinem Buch "Hitler als Vorläufer" dargelegt. Von Niels Boeing Wer die Debatte über den Klimawandel verfolgt, wird bemerkt haben, dass sich seit drei Jahren neue Töne hineinmischen. Der Konfliktforscher Jürgen Scheffran (siehe auch TR-Interview [1]) bezeichnet 2007 als das "Jahr der Versicherheitlichung des Klimawandels": Militär und internationale Politik sind längst dabei, den Klimawandel als das kommende Sicherheitsproblem zu fassen. Untermauert wird diese Sichtweise mit Prognosen von bis zu 250 Millionen "Klimaflüchtlingen" im Jahr 2050, die in diversen Studien [2] immer wieder auftauchen. Der Hamburger Politikwissenschaftler Chris Methmann hat kürzlich auf der Konferenz "Climate Change, Social Stress and Violent Conflict" darauf hingewiesen [3], dass diese Zahl lediglich auf einer groben Schätzung von Norman Myers und Jennifer Kent aus dem Jahre 1995 beruht, die seitdem unhinterfragt übernommen wird. Die Folge ist für Methmann ein "Alarmismus", der auf globale Lösungen setze statt auf lokale Partizipation der Betroffenen, um mit dem Klimawandel fertig zu werden. Allein die antizipierte - noch nicht reale - Migration vor den Folgen des Klimawandels könnte schon bald zu einem 'Greening of Hate' im Westen führen, warnte Methmann. Welcher Sprengstoff darin steckt, hat bereits vor einem Jahrzehnt der 2005 verstorbene Schriftsteller und Essayist Carl Amery in seinem provokant betitelten Buch 'Hitler als Vorläufer' [4] beschrieben. Leider war es seiner Zeit voraus, so dass es 1998 keine Wellen schlug [5]. Heute, angesichts des wahrscheinlichen Scheiterns der Kopenhagener Klimakonferenz, ist es brandaktuell. Amerys These: Der Nationalsozialismus von Hitler mit Euthanasie und Holocaust war kein singulärer Unfall in der Geschichte, sondern die barbarische Antwort auf ein sich erstmals andeutendes Nachhaltigkeitsproblem der westlich-industriellen Zivilisation. Amery schrieb: "Die Hitler-Ideologie birgt ein Angebot an Zukunftselementen, dem sich weder die gegenwärtige zeitgeschichtliche Auseinandersetzung noch der gegenwärtige politische Betrieb zu stellen wagen." Diese Ideologie, so Amery, war eine Verneinung der bis in die Antike zurückreichenden Tradition eines jüdisch-christlichen Humanismus. In der sah Amery auch die sozialistische Theorie seit dem 19. Jahrhundert: "Sie stand auf der granitenen Überzeugung: Es reicht für alle." Hitlers Selektionswahn hingegen baute auf der Ansicht auf: Es reicht nicht für alle - nur für ein "Herrenvolk", das sich und nur sich alleine einen Lebensraum für die Zukunft sichert, weil es beim Wachstum und seinen Ansprüchen keine Abstriche machen will [6]. Zwei weitere grundlegende Elemente identifizierte Amery in der von ihm so genannten Hitlerformel: "das Bekenntnis zur Geschichte als Naturgeschichte" - das, sozialdarwinistisch, jegliche Empathie und den Schutz der Schwachen verleugnet, ja diese der Vernichtung preisgibt; und "die Übernahme der Verantwortung dafür, wer wie an den knapper werdenden Ressourcen des Planeten damit an der Zukunft der Menschheit beteiligt werden kann und soll". Verantwortungsübernahme freilich im Sinne des kolonialistischen Denkens von der "white man's burden". Moderner könnte man das Programm, das sich daraus ergibt, auch "Planet-Management" nennen, schrieb Amery. Die wichtigsten Werkzeuge des Planet-Managers sind totale, lückenlose Überwachung und Selektion. Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten stehen hierbei selbstverständlich zur Disposition. Ansätze zu einem solchen Planet-Management sind durchaus auszumachen. Seit Jahren bauen sich die EU und die USA zu Festungen gegen Migration aus. Mit dem heraufziehenden Klimawandel können sie diese Abschottung mit einer exklusiv verstandenen Nachhaltigkeit rationalisieren. Das GATT-Abkommen, den Vorläufer der Welthandelsorganisation WTO, sah Amery als den "sichersten und unauffälligsten Weg zur Ausrottung etwa noch existierender traditioneller Gesellschaften und Kulturen". Und den einzig gerechten Ansatz des Klimaschutzes, jedem Erdenbürger das gleiche Pro-Kopf-Kontingent an CO2-Emissionen zuzugestehen, wird der Westen nicht umsetzen. Eben nach dem Motto: "Es reicht nicht für alle" (oder: "wir" brauchen mehr CO2, alles andere ist wirtschaftlich nicht machbar). Amery schrieb sein Buch zu einer Zeit, in der China noch nicht die neue Supermacht war, die dem Westen seine Dominanz streitig macht. Dennoch hielt er es schon damals für möglich, dass auch China oder Indien diejenigen sein könnten, die die "Verantwortung" für das Planet-Management sein könnten. Amery war allerdings nicht fatalistisch: Noch können wir zu "einer neuen, durch Wissen und Demut geläuterten Solidarität mit der Biosphäre" finden. Umso entschiedener sollten wir auf die Zwischentöne der Mächtigen in Kopenhagen reagieren - denn dort könnte eine Weiche für das 21. Jahrhundert gestellt werden. Niels Boeing [7] Das Buch: Carl Amery, Hitler als Vorläufer, Luchterhand 1998 -- http://www.zeit.de/1998/01/Schwarze_Metaphysik (zitiert nach einer Information von DER KLEINE DIENSTAG) |