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Autor Thema: REKLAME und DIGITALE AVANTGARDE  (Gelesen 15245 mal)
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« am: Januar 08, 2010, 10:47:14 am »


Die Frage des Jahres 2010

Wie hat das Internet Ihr Denken verändert?
Von Frank Schirrmacher

08. Januar 2010 An diesem Freitag veröffentlicht der amerikanische Literaturagent John Brockman die Frage des Jahres 2010: Wie verändern Internet und vernetzte Computer die Art, wie wir denken? Im Kern der Diskussion steckt die Frage des Wissenschaftshistorikers George Dyson: „Sind der Preis für Maschinen, die denken, Menschen, die es nicht mehr tun?“

Brockman, der einige der wichtigsten Wissenschaftler der Gegenwart zu seinen Autoren zählt, umkreist diese Vision auf Edge.org mit hunderteinundzwanzig Antworten. Wir drucken die interessantesten in diesem Feuilleton. Anders als in Deutschland, wo die Debatte über das Informationszeitalter noch immer ein von Interessen geprägtes Palaver über Medien ist, zielt die Edge-Debatte in die Tiefe.
http://www.edge.org/questioncenter.html

Wer plant was, wo, mit welchen Mitteln?

Gerade wenn man die digitale Revolution ernst nimmt, muss man die Frage stellen, wie sehr die industrialisierte Kommunikation des einundzwanzigsten Jahrhunderts unser Denken verändern wird. Der Computerpionier Daniel Hillis beschreibt, wie selbst ein so simpler Vorgang wie die Programmierung der Uhrzeit über vernetzte Computer heute von vielen Programmierern kaum noch verstanden wird. Und er folgert, mit Blick auf Klimawandel und Finanzkrise: „Unsere Maschinen sind Verkörperungen unserer Vernunft, und wir haben ihnen eine Vielzahl unserer Entscheidungen übertragen. In diesem Prozess haben wir eine Welt geschaffen, die jenseits unseres Verstehens liegt. Fachleute diskutieren nicht mehr über Daten, sondern darüber, was die Computer aufgrund der Daten vorhersagen.“

Neurobiologische Auswirkungen permanenten Multitaskings führen, wie Nicholas Carr schreibt, zu Auslagerungen, zu immer größerer Abhängigkeit von den Rechnern. Was, wenn die Entscheidungsträger nicht mehr nur Entscheidungen über Kredite und Budgets von Rechnern abhängig machen, sondern auch solche über Lebensläufe? Das Profiling wird, nach den jüngsten Vorkommnissen in Amerika, zu einem noch wichtigeren Mittel webgestützter „Pre-crime“-Analytik: Wer plant was, wo, mit welchen Mitteln? Doch was mit Terroristen funktioniert, funktioniert auch, wie ein Blick auf Cataphora.com zeigt, in Unternehmen und an Arbeitsplätzen.

Längst von der Wirklichkeit überholt

Einige der von Brockman befragten Autoren finden nicht, dass das Netz ihr Denken verändert. Andere sehen das anders. Keiner, auch keiner der Skeptiker, sehnt sich in eine Zeit vor dem Internet zurück. Aber viele machen deutlich, dass das, was wir als User erleben, in der Tat nur ein „Surfen“ ist, eine Bewegung auf der Oberfläche. Die deutsche Internet-Debatte ist auf dem Stand der neunziger Jahre. Eine digitale Avantgarde von eigenen Gnaden, die entscheiden möchte, wer dazugehört, tut so, als wäre Kommunikation im Netz nicht kinderleicht und als genügte es in einer Zeit, da selbst „Die Grauen“ im Netz unterwegs sind, einen Blog zu besitzen, um sich als Kenner auszuweisen. Das ist verständlich, weil es Politik- und Verlagsberatung verkauft, aber als angeblich progressive Haltung ist es längst von der Wirklichkeit überholt. Brockmans Jahresfrage setzt den Akkord für Fragen, die über das Dafür oder Dagegen weit hinausgehen.

Und das sind einige der Antworten auf John Brockmans Frage:

Wikipedia ist mein verlängertes Gedächtnis
Die revolutionärste Veränderung durch das Internet betrifft die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden. Ein dezentralisierter sozialer Prozess setzt sich an die Stelle des individuell gefällten Urteils, meint Geoffrey Miller.

Wir befinden uns in einer explosiven Situation
Menschen konstruieren Theorien auf der Grundlage isolierter Nachrichten und machen sich zu „Narren des Zufalls“. Das Internet verstärkt diese Tendenz, es verwandelt die Welt durch die rasante Verbreitung von Informationen in ein Extremistan. Nassim Taleb hat sich daher auf Internetdiät gesetzt.

Ich bin mir über gar nichts mehr sicher
Wir merken uns heute weniger Fakten als früher, weil wir wissen, wie wir im Internet an sie herankommen. Unser Wissen wird dadurch prekärer. Zudem finden wir im Netz zu jeder Tatsache eine Gegentatsache. Alles, was wir heute lernen, unterliegt der Erosion durch Antifaktoren, meint Kevin Kelly.

Die Auslagerung des Geistes
Das Internet stellt unsere kognitiven Funktionen davon, Informationen in unserem eigenen Kopf zu suchen, auf die Informationssuche außerhalb unseres Kopfes um. Es ist freilich nicht die erste Technologie, die das tut, meint Gerd Gigerenzer - und fragt nur einmal am Tag seine Emails ab.

Tiefen und Untiefen
Die wichtigste Funktion von Bibliotheken scheint mittlerweile zu sein, den Zugang zum Internet zu ermöglichen. Und diese Entwicklung wird sich noch beschleunigen, meint Nicholas Carr.

Wir werden hochgeladen
Es mag noch unklar sein, ob wir den neuronalen Code jemals knacken und unser Innenleben als Abfolge von Bits aus ihm herauslesen können. Aber auf jeden Fall gilt schon, dass wir nach und nach hochgeladen werden, meint Sam Harris

Im Spiegel des Netzes
Das Netz verschärft und beschleunigt schlichtweg Gutes wie Schlechtes und wird faktisch zu einem Spiegel, in dem sich die Fantasien und Narreteien der Welt reflektieren, meint John Markoff. 



Quelle: http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~EF39C4EB71CB548BCBA2043AC21BC8B1C~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

Sämtliche Texte wurden aus dem Englischen übersetzt von Michael Adrian.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Stuart McMIllen, Stuart McMillen

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